Kommuniqué der Revolutionären Aktionszellen (RAZ)
Wir übernehmen die Verantwortung für zwei Brand- bzw. Sprenganschläge gegen eine Einrichtung des staatlichen Arbeitszwangs und der Armutsverwaltung: In den frühen Morgenstunden des 30. Dezembers 2009 haben wir einen Brandsatz herkömmlicher Art und einen kombinierten Brand-/Sprengsatz vom Typ „Gasaki“ am Gebäude der Agentur für Arbeit in Berlin-Wedding in der Müllerstrasse gezündet. Beide Bastelwerke legten wir jeweils an einem hinteren Eingangsbereich ab. An der Außenwand neben einem Seiteneingang haben wir die Parole „Klasse gegen Klasse“ und unser Gruppenkürzel hinterlassen.
Diese militante Aktion steht im Zusammenhang der sich in diesem Jahr verstärkenden ökonomischen und sozialen Konflikte, die – so unsere Prognose – ab dem Frühjahr ein beherrschendes Thema sein werden. Damit wir als militanter Teil der revolutionären Linken nicht verspätet auf den fahrenden Zug aufspringen müssen, setzen wir bereits jetzt die ersten Zeichen innerhalb des Kampfes Klasse gegen Klasse.
Dem Klassenkampf von oben…
Mit den vor fünf Jahren eingeführten sog. Hartz-Gesetzen und der Ausrufung der Agenda 2010 ist eine neue Eskalationsstufe im Kampf gegen die lohnabhängigen Massen und jene, die als „industrielle Reservearmee“ in den Statistiken geparkt werden, eingeleitet worden. Aktuell wird verstärkt darüber beraten, inwiefern für BezieherInnen von ALG II. ein genereller Arbeitszwang eingeführt werden kann: Wer/welche nicht arbeitet, soll auch nichts zu fressen haben, so lautet die Devise derer, die sich über unser Existenzrecht hinwegsetzen und uns in den sozialen Abgrund stürzen wollen.
Der kapitalistische Klassenstaat hat sich in den vergangenen Jahren ein Geflecht von sozial-technokratischen Institutionen geschaffen und ein umfangreiches Sortiment von Instrumenten angelegt, die einen permanenten Angriff auf unsere Klasse darstellen – und somit auch auf uns.
Die Verbände von Kapital und Industrie hängen mit ihren LobbyistInnen in den Parlamentsgängen und drücken den „StellvertreterInnen des Volkes“ ihre neuen Schlachtpläne in die Hand, die dann wenig abgewandelt über die parlamentarischen Ausschüsse als Gesetzesvorlage zur Abstimmung im „Hohen Haus“ gelangen.
Der Klassenkampf von oben ist wahrlich bestens aufgestellt. Das Kapital als soziales Verhältnis und klassenspezifische Struktur kann nur fortbestehen, wenn es Ausbeutungs- und Unterdrückungsverhältnisse aufrecht erhalten kann. Ohne ausgebeutete und unterdrückte gesellschaftliche Schichten braucht es auch keine ausbeutenden und unterdrückenden AkteurInnen, die sich darauf verlassen können, dass der Klau des Mehrwerts „rechtsstaatlich“ garantiert ist. Mit diesem Klassenverhältnis des Oben und Unten sind die Grundlagen des Klassenkampfes gelegt: Der kapitalistische Klassenkampf, d.h. die strukturiert vorgetragene Attacke und ständige Bedrohung unserer Lebensbedingungen gehört einfach zu einer Produktionsweise, die der Profitlogik folgen muss, um überleben zu können.
…mit der Gegenwehr des Klassenkampf von unten antworten!
Der sozial-revolutionäre Klassenwiderstand ist im Gegensatz dazu zumeist schwach ausgeprägt und nur in Keimformen erkennbar, wenn überhaupt. Erniedrigung, Verachtung und Verelendung haben die proletarischen Klassen lange Zeit hindurch ertragen, bevor sie sich unterschwellig bis offen zur Gegenwehr entschlossen haben, um dem kapitalistischen Klassenkampf in die Parade zu fahren.
Das Stillschweigen und Hinnehmen wollen wir als Militante durchbrechen, d.h. der sozial-revolutionäre Klassenwiderstand soll die Ebene bloßer lauer Empörung verlassen und handfest werden. Es ist ein Hohn, wenn uns aus den Reihen der MachtinhaberInnen Stimmen begegnen, die unsere politischen Ausdrucksmittel in das Zwangskorsett der bürgerlich-kapitalistischen Paragrafen gepresst sehen wollen. Statt dessen gilt es, dieses Paragrafenwerk nicht durch Akzeptanz zu huldigen, sondern samt des kapitalistischen Klassenstaats zu zerschlagen.
Der emanzipatorische Akt, in den sozial-revolutionären Klassenwiderstand einzutreten, hängt direkt mit der Fähigkeit zusammen, Abstand von jedweder Stellvertreterpolitik zu nehmen. Weder die Bevormundung durch linkssozialdemokratische Parteiveranstaltungen noch die Abtretung unserer Interessen an die Gewerkschaftsbürokratie sind mit unserer Politik der Klassenautonomie zu vereinbaren. Wir setzen auf die Eigeninitiative und Selbständigkeit proletarischer Kämpfe, die nicht dem Diktat der friedfertigen „demokratischen“ Konfliktaustragung folgen oder der sozialpartnerschaftlichen Kompromisssuche verfallen.
Wir meinen: der Klassenkampf von unten zeigt sich dann unberechenbar und unvorhergesehen, wenn er sich der Aufsicht von parlamentspolitischen EntscheiderInnen und GewerkschaftsfunktionärInnen entzieht, die schon längst die Barrikadenseite gewechselt haben.
Den militanten Widerstand organisieren!
Als militante AktivistInnen der revolutionären Linken zielen wir auf eine praktisch erprobte und erfolgreich umgesetzte Konzeption militanter Politik. Dabei stützen wir uns auf die konzeptionellen Überlegungen und Umsetzungen zweier nicht mehr existierender Gruppierungen des klandestin-militanten Zweigs der revolutionären Linken.
In den Jahren 2001 bis 2009 stand insbesondere die militante gruppe (mg) für eine konzeptionelle Unterfütterung von Militanz. In einer Vielzahl von Diskussionsbeiträgen im Rahmen der Militanzdebatte, aber auch in einzelnen Anschlagserklärungen hat die (mg) das Feld aufgemacht, wie von einer temporären, punktuellen und wenig bis gar nicht aufeinander bezugnehmenden militanten Praxis zu einer organisierten Militanz zu kommen ist. Die (mg-)Politik ist eine zentrale Quelle, aus der wir schöpfen, aber weithin nicht die einzige. Ebenso greifen wir die militanten Erfahrungen eines Gruppenzusammenhangs auf, der seit etlichen Jahren nicht mehr existiert, aber dennoch seine berechtigten Nachwirkungen vorweisen kann: wir sprechen von den GenossInnen von Klasse gegen Klasse (KgK). Sie haben uns nicht nur das in militanten Zusammenhängen vielfach verwendete Brandsatzmodell mit dem schillernden Namen „Nobelkarossentod“ vererbt, auch in der Thematisierung der grassierenden Umstrukturierung proletarischer Stadtquartiere hat KgK eine Vorreiterrolle eingenommen. Soweit zu unseren gruppenspezifischen Bezugspunkten.
Für eine kontinuierliche und konstante Militanz, die über ein Kleinstgruppen-Dasein hinausgeht, ist eine Koordination klandestin-militanter Gruppenzusammenhänge existenziell. Die (mg) hat bereits 2002 den Vorschlag der Bildung einer militanten Plattform unterbreitet, um über eine konzentrierte Debatte um Fragen und Voraussetzungen von Militanz eine inhaltlich-praktische Verständigung unter militanten Kernen herzustellen. An diesen Vorschlag wollen wir anknüpfen, wenn wir die Wichtigkeit hervorheben, dass sich militante Strukturen untereinander vernetzen müssen. Zumindest ist dahingehend zu wirken, dass über eine in entsprechenden Foren ausgetragene Diskussion Eckpunkte festgelegt werden, um gemeinsame Grundlagen für eine organisierte Militanz zu erarbeiten. Hierzu werden die zahlreichen Diskussionsbeiträge, die im Rahmen der Militanzdebatte (2001 bis 2009) vorliegen, auszuwerten sein, damit klar wird, welche formulierten Ansätze welcher DebattenteilnehmerInnen weiterzuverfolgen sind.
Es ist für uns unstreitig, dass organisierte Militanz einerseits ein eigenständiger Faktor der politischen Betätigung der revolutionären Linken ist. Andererseits ist ebenso unstreitig, dass militante Interventionen nicht losgelöst von bestimmten (Bewegungs-)Entwicklungen stattfinden können, damit eine „Rückkopplung“ gegeben ist. Auch wenn es mitunter ein schmerzvoller Spagat ist, klandestine Gruppenstrukturen müssen sowohl in der Lage sein, ihre Interventionsziele und -zeitpunkte eigenständig zu bestimmen, als auch darauf abzielen, in einem direkten Austauschverhältnis zu Basisbewegungen und sich radikalisierenden Protestströmungen zu stehen.
Auch wenn klandestin-militante Kerne in einer spezielleren Art und Weise aufgebaut sind, so heißt das nicht, dass sie „exklusiv“ sind. Wir sind als Militante der Klassenautonomie wie Millionen in diesem Land unmittelbar mit dem Alltag des kapitalistischen Klassenkampfes konfrontiert. Wir sind keine abseits stehenden liberalen „Weltverbesserer“, sondern wir nehmen für uns erklärtermaßen in Anspruch, dass wir aus unserer Klasse heraus für unsere Klasseninteressen massiv eintreten, um alle Klassenverhältnisse in einer klassenlosen Gesellschaft aufzuheben.
Revolutionäre Aktionszellen (RAZ), Januar 2010