Streiks durchsetzen – Solidarität organisieren!

Ein Aufruf der Revolutionären Linken

Die bürgerliche Koalition der Schwarz-Gelben-Regierung ist seit dem 27. Oktober des Jahres unter Dach und Fach. Lobbyverbände aus Wirtschaft und Wissenschaft haben ganze Arbeit geleistet und dafür gesorgt, dass in der Koalitionsrunde ein Vertrag geschlossen wurde, der von Verbandsvertretern des deutschen Kapitals mit Lobes-Hymnen quittiert wurde.

Der Präsident des Bundesverbandes der deutschen Industrie (BDI), Hans-Peter Keitel, und der Bundesvereinigung der deutschen Arbeitgeberverbände (BdA), Dieter Hundt, sehen in dem Koalitionsvertrag ein „ermutigendes Signal für die deutsche Wirtschaft“ mit dem „endlich die drängenden Finanzierungsprobleme der Sozialversicherung angegangen“ werden. Das, was von diesen Herren positiv herausgestrichen wird, ist für jene, die die Zeche der milliardenschweren „Rettungspakete“ für kriselnde Konzerne zahlen werden, nichts als eine Hiobsbotschaft: Fortgesetzte Einschnitte ins durchlöcherte „soziale Netz“ mit Kopfpauschale, Niedriglöhnen und Leiharbeit. Das ist nichts anderes als ein vertraglich geregelter Klassenkampf von oben – und zwar in seiner puren Form.
Der Klassenauftrag wurde demnach erfüllt; die reelle Umsetzung dessen obliegt bei der parlamentarischen Legislative und
der Regierungsbank als Exekutive. Die Lobbyverbände mit ihren personell und strukturell verquickten Angehörigen der frisch gekürten Koalition wollen ein leistungsstarkes Tandem bilden. Und auftragsgemäß werden sich letztere ordentlich ins Zeug legen, damit das „Reformtempo“ erhöht werden kann.
Da werden wir gerne zum „Bremsklotz“! Wir sind alles andere als gewillt, ruhig abseits zu stehen; wir wollen in die Speichen
greifen! Aus der Starre herauszutreten, aufzustehen und notfalls auch voranzugehen, das kann nur die Devise sein!

Nutzen wir in den kommenden Monaten aufkommende Streikaktivitäten, um den sich formierenden Protest mehr und mehr in einen organisierten Widerstand übergehen zu lassen; einen Widerstand, der ums Ganze geht, um ein Leben ohne Ausbeutung und Unterdrückung, ein Leben in einer staatenund klassenlosen Gesellschaft.

Der Streik als Mittel des Klassenkampfes

Ein Streik kann ein zentrales Mobilisierungsmittel in der Auseinandersetzung mit AkteurInnen auf der anderen Seite der Barrikade sein. Streiks – unzählige Male erprobt, oft abgebrochen oder versiegt, manchmal erfolgreich bei der Durchsetzung einiger Verbesserungen der unmittelbaren ökonomischen Lebenslage. Den Streik kann man je nach den zur Anwendung gelangenden
Kampfmethoden als offensives oder defensives Mittel betrachten. Es ist zu berücksichtigen, ob die Beschäftigten in den Ausstand treten und eine Reihe Forderungen stellen, die ihre wirtschaftlich-finanzielle Existenz verbessern oder ihre (Arbeitsschutz-)Rechte erweitern, oder ob die Beschäftigten mit dem Rücken zur Wand stehen und sich aufgrund ihrer relativ
ausweglosen Situation gezwungen sehen, zur Verteidigung einmal eroberter Positionen zu Streikhandlungen überzugehen.
Gewiss kann eine Defensivposition im Verlauf der Konfrontation in eine offensivere Gangart umschlagen. Allerdings bleiben solche Streikverständnisse in den Niederungen der kosmetischen Korrekturen, wie z.B. Auseinandersetzungen um Lohnhöhe, Arbeitszeiten etc., hängen. An der ausbeuterischen Vernutzung von lebendiger Arbeitskraft ändert das erst einmal nichts substanziell.

Klar, ökonomische Streikaktivitäten um die elementaren Arbeits- und Lebensbedingungen innerhalb der bestehenden kapitalistischen Ordnung sind eine unbedingte Notwendigkeit. Nur über diesen Ausgangspunkt lässt sich potentiell ein proletarisches Klassenbewusstsein entwickeln. Ein prägender Eindruck bei den unmittelbar Beteiligten und ihrem sozialen
Umfeld vermittelt sich dann, wenn die praktizierte Solidarität in einem Arbeitskampf tatsächlich erfahr- und erlebbar wird.
Es sind bleibende Momente der Klassensolidarität, in denen Barrieren überwunden werden, die bislang hinderlich waren,
um Schritte zu einer wirklichen proletarischen Klassenpolitik unternehmen zu können.

Dennoch: der ökonomische Streik ist zu einer kalkulierbaren und faktisch institutionalisierten Angelegenheit verkommen,
dem beinahe jede Spur von Subversion abhanden gekommen ist. Unsere Aufgabe ist es, den Keim der Revolte, der in jedem Streik liegt, zum Sprießen zu bringen und die Dimension eines politischen Massenstreiks aufzumachen. Eines Streiks, der die Fixierung auf ökonomische Teilforderungen hinter sich lässt und den Blick auf das Systemganze auszurichten versteht.

Der DGB als Stabilisator des kapitalistischen Systems

Die sklavisch an die SPD angedockte Führungsriege des Deutschen Gewerkschaftsbundes (DGB) ist keine Vertreterin unserer proletarisch-revolutionären Interessen; wir haben unsere Interessen selbst zu vertreten und nicht abzutreten. Die Geschichte der sozialdemokratisch orientierten Gewerkschaft belegt, dass sie nicht einmal die Bewahrerin der unmittelbaren ökonomischen Existenznotwendigkeiten der abhängig Beschäftigten, geschweige denn der „industriellen Reservearmee“ ist. Ein Einknicken vor der geballten Klassenmacht des Kapitals und das sich abspeisen lassen mit Brotsamen ist uns in den letzten Jahrzehnten zu Genüge als „Ergebnis“ von Tarifauseinandersetzungen vorgelegt worden.
Die Gewerkschaften des DGB sind in der BRD die eine Medaillenseite der Sozialpartnerschaft und des Klassenkompromisses.
Sie sind bei Tarifrunden die vermeintliche „Dienstleisterin“ der lohnabhängigen Massen, um am Konferenztisch mit der
Kapitalfraktion die Ausbeutungsbestimmungen vertraglich auszuhandeln. Hierbei wird der Wert der Ware Arbeitskraft neu taxiert, also die Qual der Lohnarbeit und die Frechheit der Mehrwertabpressung formalrechtlich festgeschrieben.
Vor allem ist auch geschichtlich festzustellen, dass der sozialdemokratisch-orientierte Gewerkschaftsblock einen stark ausgeprägten Konservatismus zeigt. Frontales antikapitalistisches Agieren gegen die Ausbeutungs- und Unterdrückungsmaßnahmen des Klassenstaates setzte sich immer der Verdächtigung aus, einem „Abenteurertum und Putschismus“ anzuhängen. Es gilt, das stetige zahlenmäßige Anwachsen der gewerkschaftlichen Mitgliedschaft zu fördern (bzw. erst einmal den personellen Schwund zu stoppen) und das allmähliche Hinübergleiten in sozialere Verhältnisse nicht durch einen vermeintlich spontanen Aktionismus zu hintertreiben. Der Ausruf eines sozialen Generalstreiks oder gar eines politischen Massenstreiks ist außerhalb der Vorstellungswelt geraten und unvereinbar mit dem Bild eines „harmonischen Klassenkampfs“.

Zudem soll die Monopolstellung des DGB unangetastet bleiben: Die Gewerkschaftsspitzen wachen mit Argusaugen auf interne Konkurrenz wie die neuen sog. Spartengewerkschaften (z.B. GDL), die sich außerhalb des DGB gebildet haben. Die sich z. T. kämpferischer zeigenden Spartengewerkschaften organisieren aber auch nicht mehr als ihr Klientel. Eine Organisierung nach Branchen und nicht nach Betrieben ist bereits bei den DGB-Gewerkschaften das große Manko, da die Zerklüftung der proletarischen Klassen damit verfestigt wird. Eine Alternative wäre hierbei der Aufbau revolutionärer Betriebsorganisationen, in denen sich alle Beschäftigten unabhängig ihrer „Branchenzugehörigkeit“ sammeln. Wir wollen nicht einzelne linksgewerkschaftliche Initiativen im oder um den DGB herum denunzieren. Jene AktivistInnen versuchen sich in der Gewerkschaftsbasis und im unorganisierten Milieu der lohnabhängigen und deklassierten Massen zu verorten, um dort eine Verankerung zu finden. Allerdings sind diese zumeist einflussarmen Initiativen kaum mehr als ein welkes Feigenblatt der innergewerkschaftlichen Opposition. Nichtsdestotrotz sehen wir in den Gruppierungen dieser GenossInnen einen Bündnispartner im Zurückdrängen der Offensive des Klassenkampfes von oben.

Die Klassenautonomie aufbauen

Es ist nur folgerichtig, den Stäben des DGB-Bürokratismus die Verwaltung unserer Interessen nicht nur nicht zu übertragen,
sondern ihnen wieder aus den Händen zu nehmen. Denn die institutionalisierte Kollaboration der Gewerkschaftsspitzen mit
den Gremien der Kapitalverbände kann nicht von innen her aufgebrochen werden. Das haben wir als Fakt zu nehmen; die
unzähligen Beispiele der Begrenzung, Drosselung und letztlichen Erstickung von proletarischen Aufbruchversuchen durch
das Eingreifen von gewerkschaftlichen InteressenvertreterInnen sind als Beweisführung genug, um die negative Rolle der Gewerkschaftspolitik hinsichtlich der Entfaltung autonomer Klassenkämpfe klar zu machen.
Die uns angelegten Fesseln sind zu zerreißen, wenn wir uns von unseren VerwalterInnen emanzipieren wollen. Nur so haben
wir die Aussicht, Autonomie, sprich Eigenständigkeit und Selbstverantwortlichkeit in unseren Handlungen zurück zu gewinnen.

„Die Klasse existiert, wenn sie sich mobilisiert“, so ein oft gebrauchter Leitspruch. Klassenautonomie besagt demnach, einen Bruch mit den herkömmlichen Gewerkschaftsapparaten und der parlamentarischen Sozialdemokratie zu vollziehen, und zwar einen fundamentalen. Die Organisierung von Klassenautonomie geht über das Verständnis einer lokalen, fast inselartigen Selbstverwaltung weit hinaus. Wir wollen kein glückseliges Idyll einer scheinbar außer-kapitalistischen Kolonie, sondern Basen schaffen, die sich im Räderwerk der kapitalistischen Maschinerie befinden, um mit direkten Aktionen – beispielsweise der Sabotage – einzugreifen.
Die proletarisierten Bevölkerungsteile versuchen nicht nur ihre ökonomische Existenz zu erhalten, sondern bringen selbst Neues hervor. Ihre kreative Selbsttätigkeit findet im Arbeitsalltag z.B. durch wilde Streiks und spontan gebildete Aktionsausschüsse und Streikkomitees seinen Ausdruck. Es wäre aber zu kurz gedacht, alles dem Zufall und der spontanen
Entwicklung zu überlassen. Es braucht organisierte Kerne der revolutionären Linken, die innerhalb von Klassenauseinandersetzungen das Einsickern reformistischer Illusionen verhindern und den Horizont des ökonomischen und politischen Umsturzes aufmachen.

Die Organisierung von Klassenautonomie hat nichts mit einem „Prolet-Kult“ zu tun. Das Schlusskapitel einer revolutionär verstandenen Klassenautonomie liegt in der Selbstaufhebung des Proletariats als Klasse. D.h., in einer klassen- und staatenlosen Gesellschaft ist die Weiterexistenz von Klassen ein Widerspruch in sich.

Die Positionen der revolutionären Linken stärken

Als Revolutionäre Linke (RL) legen wir uns keine politische (Selbst-)Beschränkung auf. Wenn die Zielsetzung in der Befreiungsperspektive des Kampfes für eine Gesellschaft ohne Ausbeutung und Unterdrückung liegt, dann ist unser Spielraum
für Kompromisse verdammt eng. Das Handwerk der Symptombekämpfung und Fassadenreinigung überlassen wir jenen, die davon viel verstehen: der parlamentarischen Linken und ihren Wasserträgern aus den oberen Stockwerken der DGBZentralen. Wir haben uns von verschiedenen sozialreformerischen Legenden zu verabschieden:

  1. Es kann keine isoliert zu betrachtende ökonomische Auseinandersetzung geben, die von der politischen Entscheidungsmacht zu trennen wäre.
  2. Der bürgerliche Klassenstaat ist keine überparteiliche Veranstaltung, er ergreift Partei und zwar für jene, die ihn verwalten.
  3. Demnach ist es unlogisch, den bürgerlichen Klassenstaat als eine über den Klassenverhältnissen stehende Schiedskommission anzusehen.
  4. Es ist fatal zu meinen, die Zielvorstellung der sozial an den Rand Gedrängten kann darin bestehen, die negativen Seiten des kapitalistisch-imperialistischen Systems abzumildern, statt den Kapitalismus und Imperialismus an sich in Frage zu stellen.

Was heißt das? Das heißt, dass es eine völlig abwegige Sicht der Dinge ist, zu behaupten, mit ein paar anders bewegten
Stellschrauben und einigen „Strukturreformen“ wäre eine auf Gleichheit beruhende Gesellschaftsform herbeizuführen.
Blödsinn! All das sind in erster Linie Beruhigungspillen, die uns schläfrig machen sollen. Wir sollten nicht das benötigte
Schmiermittel der Verbesserungsvorschläge bereitstellen, damit die kapitalistische Maschinerie weiter laufen kann.

Wir sind aber auch keine PhantastInnen, die glauben, eine tiefgreifende Veränderung der gesellschaftlichen Verhältnisse
wäre im Hauruck-Verfahren zu haben. Wenn es tatsächlich ums Ganze gehen soll, dann haben wir die Nahziele, die wir formulieren und angehen müssen, immer in eine direkte Verbindung mit dem Endziel zu bringen. Das ist der zentrale Aspekt einer „revolutionären Realpolitik“, die konkret „realpolitisch“ ansetzt und sich ins „Revolutionäre“ erweitert.
Und vor einer weiteren Illusion möchten wir warnen: Wenn wir unsere Statistenrolle in dieser „sozialen Marktwirtschaft“
an die Garderobe hängen wollen, dann legen wir uns mit bestens aufgestellten Verbänden von Staat und Kapital an; nicht
umsonst ist das Gewaltmonopol verstaatlicht und die stumme Gewalt des ökonomischen Zwangs per bürgerlichem Gesetz
geschützt. Vielleicht erscheint es als eine pathetische Übertreibung, aber ein sozialer Generalstreik und insbesondere ein politischer Massenstreik fordert nicht nur die etablierten EntscheidungsträgerInnen heraus; nein, ein solcher rüttelt potentiell an die Grundfeste dieser kapitalistischen Ordnung, wenn er sich in einen viele Kreise der Gesellschaft erfassenden Aufstand verlängert.

In jedem Streik liegt ein Funken des Aufstands, entfachen wir ihn!

Revolutionäre Linke (RL)
Januar 2010

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