Feministisches Positionspapier zum Thema Militarismus, Militarisierung der Gesellschaft und Klassenpolitik
Wir dokumentieren an dieser Stelle einen Text der feministisch-antimilitaristischen Gruppe AMIGA aus Hamburg, der die Zusammenhänge zwischen kapitalistischem Patriarchat und imperialistischer Kriegslogik aufrollt. In diesem Positionspapier wird vor dem Hintergrund eines internationalistisch-feministischen Verständnisses zum Aufbau eines antipatriarchalen Widerstands auf der Basis der Bildung einer Plattform aufgerufen. Dem schließen wir uns als radikal-Kollektiv ausdrücklich an!
Wir halten diesen Beitrag für einen weiterführenden Diskussionsvorschlag, um die Perspektive eines revolutionären Antiimilitarismus aufzumachen, der sich nicht in die Falle eines linksliberalen Pazifismus begibt, sondern an die Fundamente von Kapitalismus, Patriarchat und Imperialismus will.
Des weiteren wollen wir auf die neue Zeitung “autonomes Blättchen – gegen Repression und für antimilitaristische Praxis” verweisen, die erstmals im Dezember 2009 erschienen und auf der Homepage http://antimilitarismus.blogsport.de zu finden ist. Hier kann zudem das AMIGA-Positionspapier als pdf-Datei heruntergeladen werden.
radikal-Redaktion
Wir sind eine Gruppe von Frauen_Lesben, die sich entschieden hat zum Thema “Militarismus, Militarisierung der Gesellschaft und Kriegspolitik”zu arbeiten. Der wiederauferstandenen aggressiven Kriegspolitik der BRD kommt weltweit eine bedeutende Rolle zu, deren Auswirkungen wir nicht tatenlos hinnehmen wollen.
Wir haben uns für die Erarbeitung dieses Positionspapiers entschieden, weil es uns selbst und vielleicht anderen als Grundlage dienen kann, um sich als Feministinnen praktisch in die Anti-Kriegs-Aktivitäten einklinken zu können.
Mit der zunehmenden Militarisierung nach innen und außen und der direkten Kriegsbeteiligung der BRD in anderen Teilen der Welt haben sich in den letzten Jahren wieder mehr Gruppen dagegen organisiert. Die Palette der Widerstandsaktionen ist breit: Sie reicht von Veranstaltungen und Demonstrationen bis hin zu militanten Angriffen auf militärische Einrichtungen und Institutionen, die mit dem Militär zusammen arbeiten.
Neue Initiativen haben sich gegründet (Aktionsbündnisse aus Anlass der Feierlichkeiten zum 60jährigen Bestehen der NATO im April 2009) und schon lange existierende erhalten immer mehr Zulauf (Aktionsbündnisse gegen die Gelöbnisfeiern der Bundeswehr, die – inzwischen erfolgreiche – Kampagne gegen den geplanten Bau des sogenannten “Bombodroms” in der Kyritz-Ruppiner Heide, das Aktionsbündnis “Bundeswehr wegtreten”, etc.).
Dabei fehlt meistens ein feministischer antipatriarchaler Ansatz. Aus diesem Grund hat sich Ende 2008 ein Bündnis von Frauen_ Lesben_Transgender gebildet, das diese “Lücke” füllen will.
“Frieden im Patriarchat ist Krieg für Frauen im Alltag.”
Gewaltverhältnisse bzw. Macht- und Unterdrückungsverhältnisse gegen Frauen existieren sowohl in sogenannten Friedenszeiten als auch in Kriegszeiten. Wenn Kriege vorbereitet oder durchgeführt werden, verschärft sich die patriarchale Zurichtung: die heterosexuellen Normen und das Herstellen eines gemeinsamen verpflichtenden gesellschaftlichen Konsenses werden verstärkt.
Die Frauenbewegung setzt sich seit Jahrzehnten mit der alltäglichen Gewalt und den ungleichen Machtstrukturen auseinander. Die grundsätzliche Auseinandersetzung mit dem Militarismus als patriarchale Ideologie ist leider zurückgegangen und beginnt erst jetzt wieder in die Diskussionen einzufließen. Es fehlt oft das Bewusstsein über die Unteilbarkeit der Kämpfe gegen alle Unterdrückungs- und Ausbeutungsverhältnisse. Erst durch dieses Bewusstsein wenden wir uns gegen das Beherrscherprinzip, das Unterschiede wie z. B. Hautfarbe/Herkunft und Geschlecht konstruiert, um Über- und Unterordnungen zu begründen.
Vor diesem Hintergrund wird deutlich, warum es nach wie vor unabdingbar ist, dass feministische Positionen in sämtliche gesellschaftliche Bereiche eingebracht werden müssen, wenn wir wirklich für die Abschaffung aller hierarchischen Herrschaftsstrukturen kämpfen.
Unsere Analyse erhebt nicht den Anspruch alles erfasst zu haben, was eine Bedeutung in Bezug auf die Kriegspolitik der BRD hat – das können wir nicht leisten. Wir haben versucht uns auf das Wesentliche zu konzentrieren, um deutlich werden zu lassen, wohin die aggressive Militärpolitik führt, wenn es uns nicht gelingt sie zu stoppen. Das Problem ist: die Zeit läuft uns davon! Fast täglich hören oder lesen wir von neuen üblen Machenschaften, welche die Herrschenden in Gang setzen: ob es neue Gesetze sind oder Verfassungsänderungen – sie ziehen ihre Strategie in rasendem Tempo durch. Lassen wir uns davon nicht entmutigen!
Wie kapitalistisches Patriarchat, Militarismus und Kriege zusammenhängen
Das kapitalistische Patriarchat dominiert heute weltweit und hat sich als Ordnungsprinzip weitgehend durchgesetzt. Kapitalistisches Patriarchat, Militarismus und Kriege gehören zusammen. Die direkte Verknüpfung von Militär und patriarchaler Geschlechterordnung ergibt sich historisch aus der Einführung der Wehrpflicht für Männer zu Beginn des 19. Jahrhunderts und der Verknüpfung von Staatsbürgerrechten und Militärdienst. Die Gewährung der Bürgerrechte im Nationalstaat europäischer Prägung war daran gebunden, Waffen tragen zu dürfen und den Staat verteidigen zu müssen.
Frauen wurden somit qua ihrer Geschlechtszugehörigkeit von der Staatsbürgerschaft ausgeschlossen. Damit zog das Militär eine Trennlinie zwischen allen Frauen und allen Männern und markierte auf diese Weise die Bedeutung des Geschlechts als zentrales gesellschaftliches Organisationsprinzip. Waffen zu besitzen und mit ihnen umzugehen wurde somit zum männlichen Privileg. Waffen werden nicht nur in Kriegen eingesetzt. Auch in sog. Friedenszeiten steigert Waffenpräsenz im Alltag das Ausmaß der innergesellschaftlichen Gewalt. Die Wahrscheinlichkeit, dass bei häuslichen Auseinandersetzungen eine Frau ermordet wird, ist erheblich höher, wenn eine Schusswaffe greifbar ist. So sind z.B. in der Schweiz, wo die Reservisten ihre Armeewaffen zu Hause aufbewahren, Schusswaffen nach dem Straßenverkehr das größte Sicherheitsrisiko: “Familienmorde” machen 46 Prozent aller Tötungsdelikte aus – damit hält die Schweiz einen traurigen Weltrekord – Opfer von sogenannten Familien- und Beziehungsdramen sind vor allem Frauen und Kinder, Täter sind in den allermeisten Fällen Männer.
Die patriarchale Ordnung baut auf der Produktion und ständigen Reproduktion von zwei Geschlechtern auf. Es wird eine Einteilung der Menschen in die zwei Kategorien “Frau” und “Mann” betrieben, denen jeweils bestimmte Eigenschaften und gesellschaftliche Bereiche und Aufgaben zugeschrieben werden. Mit der Zuschreibung geht eine Bewertung bzw. bezogen auf die “weibliche” Geschlechtsrolle eine Abwertung einher. Frauen werden auf den Bereich des sogenannten Privaten und dort auf geschlechtsspezifische, reproduktive Aufgaben verwiesen. Männern wird der Bereich des Öffentlichen und Politischen zugeschrieben. Dieses Verständnis von “privat” und “politisch” beinhaltet, dass der Bereich des Privaten als apolitisch definiert ist und soll Frauen somit vom Politischen ausschließen. Für den Kampf der Neuen Frauenbewegung gegen diese Trennung von Öffentlichkeit und Privatheit, von Produktion und Reproduktion – sowohl innerhalb der bürgerlichen Gesellschaft als auch innerhalb der Linken – steht der Slogan “Das Private ist politisch”. Ausgehend von der persönlichen Erfahrung wurden patriarchale Herrschaftsstrukturen analysiert und als ein wesentliches Herrschaftsinstrument der Zugriff auf Frauenkörper aufgezeigt: Gewalt gegen Frauen, Kontrolle über ihre Gebärfähigkeit, Vermarktung von Frauenkörpern in der Werbung, Pornografie, Gen- und Reproduktionstechnologien usw.
Einen weiteren Faktor der patriarchalen Unterdrückung stellt die Ausbeutung der Arbeitskraft von Frauen dar – in Form von gesellschaftlich notwendiger unbezahlter Hausarbeit und niedriger Entlohnung ihrer Erwerbsarbeit.Nicht nur das Kapital, auch das Militär profitiert vom hierarchischen Geschlechterdualismus, reproduziert und verstärkt ihn. Militärisch relevante Eigenschaften wie Mut, Härte, Zähigkeit, Aggressivität, Tapferkeit etc. werden als maskulin bezeichnet und nichtmilitärische Eigenschaften wie Weichheit, Zerbrechlichkeit, Passivität, Fürsorglichkeit und Freundlichkeit als feminin (ab-)qualifiziert. Auch wenn die Geschlechtsrollen “kriegerischer Mann” und “friedfertige Frau” als Gegensatz erscheinen, so ergänzen sie sich tatsächlich und tragen beide zur Erhaltung des Militärischen und der Kriegslogik bei. Abgesehen davon, dass Frauen in kriegerischen Auseinandersetzungen und gewaltförmigen Alltagskonflikten durchaus auch Täterinnen und Mittäterinnen sind, stützt sich die militarisierte Gesellschaftsstruktur immer auch auf ihre symbolischen und praktischen Unterstützungsleistungen kriegerischer Konflikte.
Militärische Zurichtung arbeitet systematisch mit der “Verweiblichungsangst”. Deshalb finden sich in der soldatischen Sprache frauenverachtende, frauenfeindliche und homophobe Ausdrücke. Beispielsweise werden im us-amerikanischen Militär von Vorgesetzten während des Drills die Ausdrücke “pussy”,”girl”,”bitch”,”lady” und”dyke” benutzt, um Soldat_innen abzuwerten und Hierarchie zu erzeugen. Verbreitet sind auch weiterhin sexistische Marschgesänge wie dieser: “Who can take a chainsaw. Cut the bitch in two Fuck the bottom half. And give the upper half to you (…).”
Neben dem Kultivieren extremer Frauenverachtung und Homophobie findet in der militärischen Sozialisation eine Erotisierung von Gewalt statt. So werden z.B. Waffensysteme mit sexualisierter, phallischer Symbolik beschrieben und Soldaten durch das Anschauen von Pornofilmen vor dem Kampfeinsatz auf gewaltsames Eindringen und Erobern “eingestimmt”.
Die extremste Form der Herstellung und Vergewisserung von “Männlichkeit” (sowohl im zivilen als auch im militärischen Alltag) ist die Ausübung sexualisierter Gewalt, in der der Körper des Täters als Waffe zur Unterwerfung eingesetzt wird. Die Frauenkörper symbolisieren die vermeintliche Ehre der Männer, ihre “Schändung” demonstriert Macht über die Gegenseite. Vergewaltigung ist eine Kriegsführungsstrategie, die gezielt eingesetzt wird zur Demoralisierung des Gegners, zum Zweck ethnisch motivierter Vertreibungen und als Mittel gesellschaftlicher Unterdrückung. Heute haben Frauen zunehmend Zugang zum Militär. Sie dienen sowohl in Wehrpflichtarmeen als auch in Freiwilligen- und Berufsarmeen. Der Frauenanteil reicht von weniger als einem Prozent in Polen und Österreich bis zu fast 15 Prozent in den USA und Russland. Im hoch militarisierten Israel wird der Anteil von Frauen bei den Berufssoldat_innen auf 25 bis 30 Prozent geschätzt. In der BRD sind das angestrebte Ziel 15 Prozent, wovon erst 3 Prozent realisiert sind.
Egal welchen Geschlechts eine_r ist: Ziel der militärischen Sozialisation ist es, die Tötungsbereitschaft bei den Soldat_innen zu erreichen. Sie arbeitet mit Methoden der Entmündigung und Erniedrigung. Mit dem Einzug in die Kaserne und dem Tragen der Uniform werden Individualität und die zivile Identität abgelegt. Durch den militärischen Drill werden die Soldat_innen auf das Denken in Hierarchien und eine Struktur von Befehl
und Gehorsam zugerichtet. Die Öffnung vieler Armeen für Frauen als Soldatinnen, z.T. auch in Kampfeinheiten, ändert nichts am männerbündischen Charakter von Militär/Armeen, sie setzt nicht den Geschlechterdualismus des Militärs außer Kraft – die Verknüpfung von “Männlichkeit” und Militär, Mann und Krieger ist nicht aufgehoben.:
– Selbst das fragwürdige Konzept der Gleichstellung wird nicht verwirklicht. Auch in Armeen findet geschlechtsspezifische Arbeitsteilung statt, Soldatinnen arbeiten z.B. oft im Sanitätsdienst, in Unterstützungseinheiten, in der Ausbildung.
– Manche Soldatinnen nehmen einen männlich-militärischen Habitus an, womit sie einerseits militärische Geschlechterrollennormen in Frage stellen, sich ihnen andererseits aber auch unterwerfen.
– Gerade im Militär wird sexualisierte Gewalt und Belästigung häufig als Mittel zur Machtausübung benutzt. Uns ist es wichtig, die Geschlechterordnung, die darin konstruierten Geschlechterrollen und somit die Zwangszweigeschlechtlichkeit nicht als essentiell, als gegeben und quasi naturhaft verankert hinzunehmen.
Wir finden es nicht sinnvoll, sich im Rahmen einer feministischen, antimilitaristischen Arbeit auf sogenannte “positive weibliche Werte und Eigenschaften” wie “Friedfertigkeit” zu beziehen, weil diese Bezugnahme den patriarchalen Entwurf von “Weiblichkeit” akzeptieren würde, der von vornherein als Ergänzung und Abstützung des “Männlich-Kriegerischen” angelegt ist. Aus unserer Sicht stellt die wachsende Beteiligung von Frauen am Militär weniger einen Beweis der Fortschrittlichkeit, als vielmehr ein Symptom für die zunehmende Militarisierung der Gesellschaft dar. “Die Funktion des Militärs wird durch Frauen in der Armee nicht in Frage gestellt – das Patriarchat modernisiert sich lediglich und legitimiert die eigenen Institutionen aufgrund gesellschaftlicher Dynamiken und Anforderungen nur neu. So wie eine rassistische Regierung einerseits in Tod, Folter und Elend abschiebt und mit Greencard andererseits jene ins Land holt, die für den Standort Deutschland verwertbar sind, so werden mit einer Olivgreencard Frauen in eine Institution eingelassen, die als exklusiver Männerclub galt. Die einzige Bedingung: Funktionieren nach patriarchalen Prinzipien: Befehl und Gehorsam, Hierarchien und das Akzeptieren von Gewalt und Mord als Mittel von Konfliktlösung oder Durchsetzung von Machtinteressen”.
Wir wollen keine “geschlechtergerechten” Armeen – wir wollen die Abschaffung aller Armeen und Militärbündnisse, die der Absicherung imperialistischer Herrschaftsverhältnisse dienen!
Deutsche Verteidigungsarmee adé – Hallo Angriffsarmee
Spätestens seit 1999 wurde es immer klarer: die Bundeswehr wird auf allen Ebenen in eine Angriffsarmee umgewandelt. Nach der Verabschiedung des Grundgesetzes 1949 war klar, dass es beinhaltete, dass es nie wieder Krieg von deutschem Boden aus geben sollte. Aber die Bundeswehr hat sich längst unter Bruch der Verfassung in eine weltweit agierende Interventionsarmee gewandelt. Nachdem der so genannte “Ost-West-Konflikt” durch den Zusammenbruch der Sowjetunion und die Vereinnahmung der ehemaligen DDR nicht mehr als Legitimation für Rüstungsproduktion und Kriegsvorbereitungen dienen konnte, entwickelten sowohl die NATO als auch die Bundeswehr neue Konzepte, die eine offene aggressive Angriffsstrategie darstellen.
Begründet wird diese Umwandlung mit der Notwendigkeit der “Durchsetzung des “freien und ungehinderten Welthandels als Grundlage unseres Wohlstandes”. In den verbindlichen Richtlinien zur Verteidigungspolitik, dem so genannten “Weißbuch” des Verteidigungsministeriums zählt die Bundesregierung auf, was die Bundeswehr in Zukunft an Aufgaben zu bewältigen hat: Kontrolle der “unkontrollierten Migrationsbewegungen” und Verhinderung der “Störung des freien Welthandels”, um nur einige Beispiele zu nennen.
Die Rolle der Europäischen Union Militarisierung durch die Hintertür: Der EU-”Reformvertrag”
Die EU hat sich endgültig verabschiedet von der Idee einer Zivilmacht und bedient sich uneingeschränkt der Mittel internationaler Machtpolitik. Und immer mehr ist die EU bereit, weltweite wirtschaftliche Interessen auch militärisch durchzusetzen. So beinhaltet die EU-Verfassung inzwischen:
– eine Aufrüstungsverpflichtung,
– den Verfassungsrang für ein Rüstungssamt (“Verteidigungsagentur” genannt), um diese Aufrüstung zu koordinieren und anzukurbeln,
– die Entscheidungsbefugnis des EU-Ministerrates für weltweite Kriegseinsätze – auch ohne UNO-Mandat,
– eine militärische Beistandsverpflichtung, die zwingender als die der NATO ist. Inzwischen ist eine weltweit agierende EU-Interventionsarmee aufgestellt worden und EU-Truppen werden immer häufiger in Kampfeinsätze geschickt: Bosnien, Kongo, Tschad, um nur einige Beispiele zu nennen.
Dahinter verbirgt sich die wachsende Bereitschaft, eigene Interessen mit militärischer Gewalt durchzusetzen. Diese Ziele werden im Entwurf für ein europäisches Weißbuch offen benannt: Kriegseinsätze “zum Schutz von Handelsrouten und dem Fluss von Rohstoffen”. Dies bedeutet nichts anderes als die Forderung nach unbeschränktem Zugriff auf die Rohstoffe anderer Länder. Die EU auf dem Weg zur Supermacht? Schon jetzt wird
auf der politischen Bühne spekuliert, ob die EU versucht die NATO auf Platz 2 zu setzen und die Weltherrschaft an sich zu reißen. Die Aufrüstungs- und Kriegspolitik ist nicht unabhängig von den Kriegsstrategien der NATO zu sehen.
Das Militärbündnis NATO
Nach 1991 – dem Zusammenbruch der Sowjetunion, was die Auflösung der UdSSR und des Warschauer Vertrages zur Folge hatte – musste sich die NATO eine neue Legitimation zulegen: 40 Jahre lang begründete die NATO ihre Existenz und Notwendigkeit mit der Wichtigkeit eines Bollwerks gegen den angeblich aggressiven Kommunismus in Gestalt des Warschauer Pakts. Nun wurde ein neues Feindbild aufgebaut: der “internationale Terrorismus”. Mit ihm wird nun alles begründet, was die neue, in ihrer Aggressivität und Brutalität beispiellose Kriegspolitik der NATO unter der Federführung der USA in Gang setzte: Um ihre Macht- und Wirtschaftsinteressen durchzusetzen, werden Länder bedroht, mit Embargos sanktioniert, wenn sie sich nicht den Bedürfnissen der USA unterordneten, sie werden überfallen, bombardiert und besetzt.
Neue NATO-Strategie nach 1991
Nach dem Ende des Ost-West-Konflikts änderte sich die zuvor begrenzte Rolle der NATO dramatisch: Sie wurde globalisiert. Zum 50. Jahrestag der NATO 1999 verkündete die NATO eine neue Doktrin. Sie sollte die Organisation zu umfassender Durchsetzung US-amerikanischer und EU-europäischer Interessen befähigen. Von amerikanischer Seite wurde gefordert, dass die NATO-Strategie künftig auch mögliche Krisen in der Golfregion oder in der Straße von Taiwan berücksichtigen müsse.
Dies bedeutete konkret: zurück zur “Kanonenbootpolitik” – nur diesmal mit modernsten Angriffswaffen. Seitdem geht es offen um die weltweite “Verteidigung” der eigenen Interessen. Dabei soll die gewalttätige Interessendurchsetzung gegebenenfalls ohne Rücksicht auf internationales Recht erfolgen. Die Handlungsfähigkeit der NATO dürfe bei
sogenannten vitalen Herausforderungen, so die herrschende Diktion, nicht durch eine UN- oder OSZE-Mandatierung behindert werden. Die Selbstmandatierung der NATO im Kosovokrieg war also keineswegs ein “Sonderfall”, sondern ein gewaltiger Schritt in Richtung auf die planmäßige Zerstörung internationalen Rechts. Operationen der NATO sollen mithin “im Krisenfall” (und wann wäre der nicht zu konstruieren?) auch ohne völkerrechtliche Legitimation möglich sein.
Dies heißt im Klartext: Es zählt das Recht des Stärkeren. Die Liste der Sicherheitsrisiken ist erweitert worden: Neben dem Risiko “des organisierten Verbrechens” wird “die unkontrollierte Bewegung einer großen Zahl von Menschen, insbesondere als Folge bewaffneter Konflikte” neu angeführt (Washington Ziffer 20). Demnach sieht die NATO ihre Sicherheit durch Flüchtlingsbewegungen beeinträchtigt.
Während sich zur Zeit des Kalten Krieges nur der Warschauer Pakt von der NATO bedroht sehen konnte, können heute alle Länder, die die NATO als “Risikofaktor” eingestuft hat, ins Fadenkreuz geraten. Der Jugoslawien-Krieg war ein erster Anwendungsfall – bei dem Völkerrecht und UN-Mandat völlig übergangen wurde. Dieses Vorgehen wird im neuen strategischen Konzept verallgemeinert, also als Prinzip verankert. Damit ist die Grundlage für weitere NATO-Kriege nach dem Vorbild des Jugoslawien-Krieges gelegt. Militärische Kooperation, bei der die NATO einem UN-Oberbefehl unterstünde oder der Oberbefehl gemeinsam ausgeübt würde, ist nicht mehr vorgesehen. Die NATO ist in ihrem eigenen Selbstverständnis der UNO nicht länger untergeordnet.
Der Terminus “Krisenbewältigung” beschreibt die offensive militärische Ausrichtung, zu der die NATO sich nun offen bekennt. In diesem Zusammenhang wurde folgender wichtiger Satz des 1991er-Dokuments gestrichen: “Dieses Strategische Konzept bekräftigt erneut den defensiven Charakter des Bündnisses (…).” (Rom, Ziffer 58)
Atomwaffen im neuen strategischen Konzept
Hinsichtlich der Atomwaffen hält die NATO auf absehbare Zeit an der Drohung des nuklearen Ersteinsatzes fest: “Nukleare Streitkräfte werden weiterhin eine wesentliche Rolle spielen, indem sie dafür sorgen, dass ein Angreifer im Ungewissen darüber bleibt, wie die Bündnispartner auf einen militärischen Angriff reagieren würden.” Damit ist der Vorstoß des damaligen Außenministers Fischer, auf den Ersteinsatz zu verzichten, erfolglos geblieben. Zuvor hatte er auf der Münchener Wehrkundetagung dafür plädiert, “die Frage der heutigen Rolle und zukünftigen Bedeutung einzelner Aspekte des Nuklearen offen und vorurteilsfrei nach dem Washingtoner Gipfel im Bündnis (zu) diskutieren.”
Nach der Eliminierung der nuklearen Artillerie und der bodengestützten Kurzstreckenraketen, die 1991 in Rom im Strategischen Konzept angekündigt worden war, ist an keine weitere atomare Abrüstung gedacht. Damit steht die NATO-Strategie im Widerspruch zum Atomwaffensperrvertrag, der in Artikel VI eine Verpflichtung aller Vertragsparteien vorsieht, “Verhandlungen zu führen über wirksame Maßnahmen zur Beendigung des nuklearen Wettrüstens… und zur nuklearen Abrüstung”. Die verbliebenen Atomwaffen sollen “zur Abschreckung” beitragen. Auch wenn “die Nuklearstreitkräfte der NATO… nicht länger auf irgendein Land” zielen, bedrohen sie prinzipiell Nicht-NATO-Länder.
Insofern widerspricht die neue NATO-Strategie auch dem Gutachten des Internationalen Gerichtshofes (IGH) von 1996, das die Drohung mit Atomwaffen für völkerrechtswidrig erklärte. Während die eigenen Atomwaffen für die NATO eine wichtige militärische Funktion erfüllen, wird es als Sicherheitsrisiko angesehen, wenn sich andere Staaten Atomwaffen samt Trägermitteln beschaffen. Ziel der NATO ist es, eigene Kriegshandlungen trotz vorhandener Massenvernichtungswaffen zu ermöglichen und damit Krieg im Atomzeitalter führbar zu machen.
Krieg nach außen bedingt Krieg nach innen
Nach dem verlorenen letzten Weltkrieg genehmigten die Besatzungsmächte 1949 das Grundgesetz der BRD nur unter der Prämisse, dass darin die Trennung der Vollzugspolizei und der Geheimdienste festgehalten wird und die bundespolizeilichen Aufgaben strikt begrenzt bleiben müssen. Die BRD sollte nicht mehr in der Lage sein Kriege zu führen. Auch war es bei der Verabschiedung eine Bedingung, dass eine Trennung zwischen innerer und äußerer Sicherheit, zwischen polizeilichen und militärischen Aufgaben einzuhalten ist. Diese Zeiten sind längst vorbei: heute werden unter dem Vorwand der so genannten Terrorismusbekämpfung diese Grundsätze in ihr Gegenteil verkehrt. Der Staat rüstet gegen seine Bürgerinnen und Bürger auf, der Ausnahmezustand wird bereits täglich gelebt. Eines der letzten Beispiele der – gesetzlich noch nicht legitimierten Zusammenarbeit – zwischen Polizei und Militär war der Einsatz der Bundeswehr beim G8-Gipfel in Heiligendamm 2007.
Zuvor durfte die Bundeswehr bei der Fußball-WM für Sicherheit und Ordnung sorgen. Dem Datenaustausch sind faktisch keine Grenzen mehr gesetzt. Um Bundeswehreinsätze im Inneren zu legalisieren, gibt es immer wieder Vorstöße, das Grundgesetz zu ändern. Angriffskriege können nur dann ungehindert geführt werden, wenn die eigene Bevölkerung entweder einverstanden ist oder – falls Teile der Bevölkerung sich nicht einnebeln lassen – sie ebenfalls bekriegt wird: weshalb wohl werden unentwegt die Kontrollsysteme ausgebaut und wird schon seit Jahrzehnten die Bekämpfung von Aufständen und Revolten geübt?
Der “Celler Trialog”
Seit drei Jahren findet in Celle der sogenannte “Celler Trialog” statt. Der illustre Kreis, der sich da regelmäßig trifft, versteht sich als “Diskussionsforum für Außen- und Sicherheitspolitik”. Das Treffen wurden initiiert vom Aufsichtsratsvorsitzenden der Commerzbank, Klaus-Peter Müller und dem Bundesministerium der Verteidigung, unterstützt durch die I. Panzerdivision Hannover. 2009 zählten neben zahlreichen hochrangigen Militärs und Wirtschaftsbossen u.a. (der inzwischen abgesetzte) Kriegsminister Jung, (inzwischen abgesetzte) Innenminister Schäuble und der Mitautor des aktuellen NATO-Strategiepapiers General a.D. Klaus Naumann zu den Gästen.
Aus dem “Celler Appell” von 2008: “Seit der Wiedervereinigung nimmt Deutschland eine gewachsene internationale Verantwortung wahr. Die Auslandseinsätze der Bundeswehr sind Ausdruck dieser größeren internationalen Rolle als Beitrag Deutschlands zu Frieden
und Sicherheit in Europa und der Welt” (…)
1. zur Vertiefung des Dialogs zwischen Bundeswehr und Gesellschaft sollen künftig einmal im Jahr auf einem nationalen Forum (…) weitere Schritte beschlossen werden. Damit wollen wir allen Entscheidungsträgern in Wirtschaft, Politik und Bundeswehr Impulse für die vertiefte sicherheitspolitische Diskussion geben.
2. Wir starten eine Initiative insbesondere zur Förderung der Reservisten in Industrie und Wirtschaft, zur Vertiefung der persönlichen Kontakte und zur Intensivierung der zivilmilitärischen Zusammenarbeit (…)
3. Darüber hinaus wollen wir aktiv darauf hinwirken, dass der sicherheitspolitische Dialog auch in Forschung und Lehre, insbesondere an den Hochschulen, gestärkt wird, z.B. durch die Einrichtung von Stiftungsprofessuren und durch einen dauerhaften, praxisorientierten und wissenschaftlichen Austausch zwischen Wirtschaft und Bundeswehr”.
Der “Celler Trialog” ist Teil einer fortschreitenden Militarisierung der Gesellschaft und der zunehmend kriegerischen Außenpolitik der BRD. Beim Celler Trialog werden geostrategische Ausbeutungs- und Machtinteressen des deutschen Kapitals konkretisiert und koordiniert.
Auf nationaler Ebene hat der Trialog eine vergleichbar herausragende Bedeutung wie die regelmäßig stattfindende NATO-Sicherheitskonferenz in München auf internationaler Ebene. Seit zwei Jahren wird in Celle von einem Aktionsbündnis bundesweit gegen diese Treffen mobilisiert. Mit vielfältigen Protestformen tragen die Gegnerinnen und Gegner dieses Kreises Ihren Protest auf die Straße.
Das nächste Treffen des “Celler Trialog” findet 2010 in Kiel statt. Laut einer Pressemitteilung der Commerzbank steht die 1. Panzerdivision Hannover bis 2012 nicht mehr als Partnerin zur Ausrichtung des Trialogs zur Verfügung, da sie sich in diesem Zeitraum auf Einsätze auf dem Balkan und in Afghanistan vorbereiten müsse. Wahrscheinlich wird an ihre Stelle der “Marinegroßverbund Einsatzflottille 1″ treten, der seinen Sitz bei Kiel hat.
Die Zusammenarbeit zwischen Militär und zivilen Stellen
Die “ZMZ” (“Zivil-militärische Zusammenarbeit”, auch “Vernetzte Sicherheit” genannt) wird immer weiter ausgebaut. Um nur ein paar gravierende Beispiele zu nennen:
– An Universitäten und staatlichen Forschungseinrichtungen wird immer mehr zivile und militärische Forschung miteinander verknüpft.
– Es wird eine Art “Heimatschutz- Ministerium” eingerichtet. Hierfür wurden schon unter dem Kommando von schnell mobilisierbaren 5500 Reserve-Offizieren Tausende Reservisten in Bereitschaft versetzt und das Einzugsalter von 45 auf 60 Jahre heraufgesetzt.
– Das Gesundheitswesen wird für die Zwecke der Kriegsvorbereitung eingebunden durch Verträge zwischen öffentlichen Krankenhäusern und der Bundeswehr.
– Hilfsorganisationen, Rotes Kreuz und Technisches Hilfswerk werden im Bedarfsfall dem Kommando der Bundeswehr unterstellt.
– Die Deutsche Post soll in Zukunft eingespannt werden zur Versorgung des Militärs mit Bekleidung. Das Tochterunternehmen DHL hat es schon seit einigen Jahren übernommen, Rüstungsgüter in Kriegsgebiete zu transportieren.
– “Bundeswehr und Wirtschaft – eine strategische Partnerschaft auf dem Weg in den modernen Staat” – Unter diesem Titel wurden eine Reihe von Kooperationen zwischen Militär und Wirtschaft beschlossen.
– Die Bundeswehr will in Zukunft “als wichtiger Arbeitgeber und bedeutsame Ausbildungseinrichtung ihren Teil zur Lösung der Arbeitsmarktproblematik beitragen. Dafür kommen Werbe-Offiziere an Schulen und Universitäten und halten Vorträge, um für den “Dienst an der Waffe” Propaganda zu machen. Auf den Arbeitsämtern werden Jugendliche unter 26 Jahre gezwungen, ein extra eingerichtetes Büro aufzusuchen, wo sie von einem Bundeswehrangestellten angeworben werden sollen. Inzwischen ist die Bundeswehr auch auf Messen häufig mit einem eigenen Stand vertreten.
Krieg soll im Bewusstsein zu einem “sozial akzeptierten und für den Erhalt des deutschen Volkes notwendigen Fakt” werden. Und das Konzept der zivilmilitärischen Zusammenarbeit dient der Beseitigung der Grenzen zwischen Krieg und Frieden, zwischen Militärischem und Zivilem.
Militarisierung der Gesellschaft
Um die Voraussetzungen für Kriegsführung nicht nur logistisch, sondern auch ideologisch zu erreichen, ist eine Gesellschaft notwendig, die die Ausbeutung anderer Länder und Angriffskriege mitträgt. Dazu werden von den Herrschenden verschiedene Mittel auf unterschiedlichen Ebenen benutzt:
– Die Umverteilung von unten nach oben führt zu Verarmung und Arbeitslosigkeit. Dadurch entsteht für die Betroffenen der Druck sich sich schlechten oder unerwünschten Bedingungen anzupassen oder auch in zivilmilitärischen Bereichen zu arbeiten.
– Immer mehr zivile Institutionen arbeiten in militärischen Strukturen mit.
– Die Gleichschaltung der Medien wird forciert: Kriegsvorbereitungen und Kriegseinsätze der Bundeswehr werden als nützlich und notwendig dargestellt.
– Die Basis des patriarchalen Systems wie Abwertung von allen, die nicht der heterosexuellen, christlich sozialisierten Norm entsprechen, wird zugespitzt.
Wenn wir genau hinschauen, sehen wir: Militärist im täglichen Leben ständig präsent und aktiv: Paraden, Kranzniederlegungen, öffentliche Gelöbnisse, Militär-Flugshows, Tage der Offenen Tür, Errichtung eines Denkmals für “die gefallenen Soldaten”, …
Begriffe wie “Ehre”, oder “Nationaler Stolz” und parallel dazu Aussagen wie die von Helmut Kohl (Ex-Bundeskanzler der BRD) nach der Annexion der DDR, Deutschland habe mit seiner Geschichte abgeschlossen und könne jetzt wieder seine Weltmachtrolle wahrnehmen, lassen böse Erinnerungen und schlimme Vorahnungen wach werden. Das Volkszugehörigkeitsgefühl wird wieder ganz groß geschrieben und eine Fußball- Weltmeisterschaft in Deutschland bot ideale Voraussetzungen das deutsche Nationalgefühl wieder aufleben zu lassen. Da reiht es sich nahtlos ein, dass es jetzt wieder eine “Tapferkeitsmedaille” für deutsche Soldaten gibt, die im Ausland im Einsatz sind.
Grundlagen, die die Mobilisierung breiter Bevölkerungskreise für Angriffskriege ermöglichen, sind verinnerlichtes patriarchales, nationalistisches und rassistisches Gedankengut. Da Krieg führen auch als Männlichkeitsbeweis dient, wird häufig von einer “Remaskulinisierung” der Gesellschaft gesprochen: So wird bei der Mobilisierung für Kriege stets an die “Männlichkeit” appelliert. Erfahrungsgemäß wird eine Gesellschaft umso sexistischer, je militarisierter sie ist.
Im Alltag zeigt sich das an vielen Stellen: Werbung mit dürftig gekleideten Frauen und sexistischen Sprüchen, zunehmende Nutzung pornografischer Seiten im Internet, die Umgangssprache wird immer sexualisierter, usw. Die Aggression im täglichen Umgang steigt und wird vor allem gegenüber Frauen und Menschen nicht deutscher Herkunft ausgeübt. Konkret heißt das, ständig wachsam gegenüber direkten oder verdeckten Angriffen zu sein und stets mit der Angriffslust von einzelnen Männern oder Männergruppen rechnen zu müssen.
Vor allem Fußballgroßereignisse bieten die Möglichkeit, Nationalstolz, Rassismus und Sexismus in beliebiger Kombination im allgemeinen Einvernehmen ausleben zu können.
Der neue Kolonialismus
Kapitalismus funktioniert nicht ohne Krisen und Kriege
Die kapitalistische Wirtschaftsweise kommt immer wieder an ihre Grenzen. Einerseits werden seit dem letzten Jahrhundert Produktionsstätten in die Länder des Südens oder – seit dem Zusammenbruch der Sowjetunion – nach Osteuropa ausgelagert, um dort möglichst billig produzieren und damit Gewinne einfahren zu können; andererseits haben die Menschen in den Industrieländern nicht mehr das Geld, um die Produkte zu kaufen.
Claudia von Werlhoff sagte dazu sehr treffend: “Wir sind heute in der Situation, dass Demokratie, Friede und Wohlstand auch dort, wo sie nach dem letzten Weltkrieg wieder entstanden sind, vor unseren Augen zerrinnen und statt dessen eine Verarmung und Zerstörung begonnen hat, die immer kriegerischere Züge annimmt. Meine These: Die Logik des Krieges ist es, neues Wachstum zu schaffen. Also immer dann, wenn unser System ökonomisch an seine Grenzen stößt, ist es bereit, den Krieg zur Durchbrechung dieser Grenzen einzusetzen”.
Sie unterscheidet dabei einerseits zwischen Raub von Reichtümern anderer Länder durch Besetzung und Aneignung und andererseits der militärischen Zerstörung eines Gebietes, wo dann der so genannte Wiederaufbau des zuvor Zerstörten neues Wachstum schaffen kann. Um dies in ausreichendem Maße umsetzen zu können, steigt der Rüstungsetat: so ist die BRD inzwischen der weltweit drittgrößte Waffenexporteur!
Rosa Luxemburg drückte es folgendermaßen aus: “Im Rüstungssektor tritt an Stelle einer
großen Anzahl kleiner, zersplitterter und zeitlich auseinander fallender Warennachfragen (…) eine zur großen, einheitlichen kompakten Potenz zusammengefasste Nachfrage des Staates. In Gestalt der militaristischen Aufträge des Staates wird die zu einer gewaltigen Größe konzentrierte Kaufkraft (…) der Willkür, den subjektiven Schwankungen der persönlichen Konsumtion entrückt (…) Endlich befindet sich der Hebel dieser Kapitalakkumulation in der Hand des Kapitals selbst”.
Da die deutsche Wirtschaft zu fast 100% von Rohstoffen anderer Länder und Importen abhängig ist, liegt deren Interesse nach freiem Zugang zu diesen Rohstoffen auf der Hand. So hat der BDI (Bundesverband der Deutschen Industrie) auf seinem 2. Rohstoffkongress im März 2007 die Einrichtung eines “Interministeriellen Ausschusses Rohstoffpolitik gefordert, der sich der Anliegen der Industrie annehmen solle. Frau Merkel hat diesen Wunsch natürlich erfüllt. So reden Christian Ruck (Entwicklungspolitischer Sprecher der CDU/CSU und seit der Wahl 2009 Bezirksvorsitzenden der Augsburger CSU) und Christian Schmidt (Staatssekretär im Verteidigungsministerium) davon, eine nationale Gesamtstrategie zu entwickeln: “Diese sollte Antworten darauf finden, welche Weltregionen (…) für den Zugang zu den für unsere Wirtschaft unverzichtbaren Auslandsmärkten und Rohstoffen besonders wichtig sind und für die Sicherung unserer Energieversorgung eine wesentliche Rolle spielen.”
Damals Kolonialismus, heute Globalisierung
Nachdem im vorletzten Jahrhundert die Herrschaft der europäischen Kolonialstaaten offiziell zu Ende ging, findet die Ausbeutung der ehemaligen Kolonien weiterhin auf wirtschaftlicher Ebene mit Unterstützung von Institutionen wie IWF und Weltbank und später WTO statt.
Globalisierung heißt für die Industrieländer, weltweite Freihandelszonen zu errichten, sich in jedem beliebigen Land der Erde an deren Bodenschätzen bedienen zu können und die Bevölkerung über Privatisierung zum Beispiel der Gesundheitsfürsorge und dem Zugang zu Wasser, der Monopolisierung und Patentierung von Saatgut oder Pflanzen auszubeuten.
Heute wird Ausbeutung durch die Industrieländer nicht nur immer tief-greifender, sondern auch von europäischer Seite aus offen militaristischer.
Der gleiche alte Rassismus
Die rassistische Komponente aus der Kolonialzeit setzt sich heute fort. War es früher das Konstrukt der “überlegenen weißen Rasse” so wird heute unter Ignorieren der wahren, imperialistisch verursachten Gründe für Unruhen, Gewalt und Bürgerkriege die Theorie der selbstverschuldeten Konflikte hervorgeholt. Die ausgebeuteten Länder wären deshalb “auf den Import von Staatlichkeit angewiesen” und die westlichen Länder müssten bereit sein, “sich auf bewaffnete Pazifierungen ganzer Regionen einzulassen” (Herfried Münkler in “Die neuen Kriege”).
So genannte “gescheiterte Staaten (failed states) sollen westliche Demokratie und damit Stabilität verordnet bekommen. In Legitimationsdeutsch heißt das “Stabilitätsexport”. Weiterhin wird behauptet, dass Rückzugsgebiete und Ausbildungslager von “Terroristen” vorzugsweise in den Gebieten lägen, in denen die staatlichen Strukturen zusammen gebrochen wären. So steht im Weißbuch der Bundeswehr (25. Oktober 2006 verabschiedet): “Die Erosion staatlicher Strukturen, der Zerfall ganzer Staaten und damit oft einhergehende Bürgerkriege ebenso wie das Entstehen von Gebieten, die sich außerhalb der internationalen Ordnung stellen, eröffnen Aktionsräume sowie Rückzugsgebiete für bewaffnete Gruppen und terroristische Organisationen”.
Entsprechend dieser Propaganda hat Deutschland bei der Zerstörung von Staaten wie Jugoslawien, Irak und Afghanistan mitgewirkt. Während dort tausende Menschen getötet und obdachlos wurden, erfreuen sich hier Kriegswirtschaft und am Wiederaufbau beteiligte Firmen am Profit.
Max Boot: “Afghanistan und andere unruhige Gebiete schreien heute nach der Art aufgeklärter ausländischer Verwaltung, die einstmals von selbstbewussten Engländern in Reiterhosen und Tropenhelmen bereitgestellt wurde.”
Francis Fukuyama: “Angesichts der Tatsache, dass es in vielen gescheiterten Ländern nur ein niedriges Niveau oder gar keine Staatlichkeit gibt, ist nicht klar, ob es eine wirkliche Alternative für ein quasi permanentes, quasi-koloniales Verhältnis zwischen der internationalen Gemeinschaft und den begünstigten Ländern gibt”.
Rassismus ist Teil eines kapitalistischen und patriarchalen Gefüges
Rassismus gibt es, seit es Kriege gibt. Mit den Eroberungszügen der Europäischen Seefahrer, dem Aufbau von Kolonien und dem Konstrukt der “primitiven” Schwarzen, Indios und so genannter Indianer, wurde ein weltweiter Rassismus aufgebaut, der noch heute innerstaatliche Verhältnisse und die weltweiten Machtverhältnisse bestimmt.
Dieser latente oder offene Rassismus ist jederzeit abrufbar, lenkbar und wird von Politik und Medien entsprechend benutzt. Unter Ausnutzung dieser ständig wiederholten Zuschreibungen können rassistische Klischees gefestigt und zur notwendigen Zeit verwendet werden. Diese Bilder greifen natürlich auch gegenüber den hier ankommenden Flüchtlingen und MigrantInnen.
Medien und Politik halten den Rassismus aufrecht: Über das Schüren der Terrorismusangst soll jeder muslimisch aussehende Mensch zur potentiellen Bedrohung werden.
Pseudofeministische Propaganda
Die herrschenden Politiker und Politikerinnen benutzen scheinbar feministische Argumente,um Ihre Kriegseinsätze zu rechtfertigen. Bereits im Jugoslawienkrieg wurden Massenvergewaltigungen als Rechtfertigung für die militärische Intervention benutzt und leider sind auch viele Frauen dieser Kriegspropaganda aufgesessen. Ebenso konnte der Einmarsch der USA in Afghanistan erfolgreich als ein Krieg für die Rechte der von radikalen Islamisten unterdrückten Frauen verkauft werden.
Viele Frauenorganisationen in Europa haben sich dadurch verunsichern lassen und zum Teil sogar die Militäreinsätze für richtig befunden. Tatsächlich ist es so, dass sich für die Frauen in Afghanistan nichts zum Positiven verändert hat seit der Besatzung durch die “internationale Gemeinschaft”. Amnesty international hat in ihrem Report “Women still under attack” bereits 2007 bilanziert, dass Frauen nach wie vor fast rechtlos sind, 80% Analphabetinnen sind, dass fast jede Frau von Gewalt bedroht ist, dass dort eine der höchsten Sterblichkeitsraten für Mütter besteht, weil Männer vielfach medizinischer Hilfe nicht zustimmen. Im März 2009 – kurz vor den Wahlen – unterzeichnete der afghanische Präsident Karsai ein Gesetz, das die Schiiten ihm vorlegten: das Gesetz verbietet Frauen jede “unnötige” Beschäftigung (Arbeitsverbot) oder das Verlassen des Hauses “ohne Einverständnis des Gatten”. Des weiteren gibt es einen Vorstoß ein Gesetz zu verabschieden, das Vergewaltigung in der Ehe legalisiert, indem die Frauen zum Geschlechtsverkehr mit ihrem Ehemann verpflichtet werden sollen.
Im Irak wird diese negative Entwicklung für die Frauen ebenso deutlich: der Irak zählte – laut der irakischen Frauenorganisation OWEI – vor dem Sturz Sadam Husseins in Sachen Frauenrechte zu den Vorreitern der Länder in der Region. Seit der Besatzung durch die USA wird der Fundamentalismus installiert und immer mehr Frauen werden in ihren ehemals erworbenen Rechten beschnitten und müssen um ihr Leben fürchten. So hat der von den Besatzern eingeführte irakische Regierungsrat das vorhergehende Familienrecht teilweise außer Kraft gesetzt und die Scharia eingeführt.
Um solchen vermeintlich feministischen Argumenten von seiten der Kriegstreiber etwas entgegenhalten zu können, ist es notwendig, eine klare Analyse zu den Herrschaftsverhältnissen zu haben, die einerseits die Profitgier der Herrschenden hinter deren Propagandalügen erkennt und andererseits sich die Auswirkungen eines Krieges in dem betroffenen Land vor Augen führt. (Auch das ist ein Teil der Kriegspropaganda: dass die Kriegsberichtserstattung nur noch Reporter zeigt, aber keine Bilder mehr von verletzten, sterbenden oder flüchtenden Menschen, die das Elend eines Krieges in die Wohnzimmer holt. Denn es ist viel leichter, die Unterstützung zum Kriegführen zu erhalten, wenn dieser Krieg abstrakt bleibt.)
Widerstand ist nötig – Widerstand ist möglich!
Aus dieser Analyse wird klar: Widerstand ist dringend geboten! Für uns setzt sich Widerstand aus drei Faktoren zusammen: Organisierung, Strategie (und damit der Theorie) und Praxis.
1. Organisierung
Ein gewisses Maß an Protest und Widerstand von einzelnen Personen, ja sogar einzelnen Gruppen können sich die kapitalistischen ( und auch die faschistischen und diktatorischen) Patriarchate “leisten”. Je nach System wird das unterschiedlich gehandhabt.
In den sogenannten demokratischen Patriarchaten werden größere Proteste und Widerstand in einem begrenzten Rahmen zugelassen (z.B. als eine halbe Million Menschen während der Nachrüstungsproteste der Friedensbewegung 1981 auf die Straße gingen). Dieser Spielraum wird geboten, damit Empörung artikuliert werden kann und somit den Anschein bekommt, beachtet zu werden. Tatsächlich ist niedrigschwelliger Protest in den so genannten Demokratien ein Instrument, die Unzufriedenheit mit dem System oder auch nur einzelnen Entscheidungen gegen den Willen der Bevölkerung zu integrieren, zu kanalisieren und letztendlich ins Leere laufen zu lassen. Für Viele Demonstrierenden hat dieses: einerseits zulassen, andererseits verpuffen lassen, zur Folge, dass sich so das Gefühl festsetzt, “man kann ja sowieso nichts ändern”.
Sobald Protest jedoch zum Widerstand wird, sobald er organisiert abläuft, sobald er kontinuierlich ist und /oder dem System inhaltlich gefährlich wird oder werden könnte – sobald er also nicht mehr zu kanalisieren und zu integrieren ist, ist es schnell vorbei mit dem angeblichen Recht auf Widerstand! Dazu hat der Staat eine Unmenge von Institutionen und Apparaten – die beständig ausgebaut werden -, um den Widerstand wirkungslos werden zu lassen, zu spalten, zu kriminalisieren oder anderweitig massiv zu bekämpfen.
Ausgrenzung, Vereinzelung und Spalten spielen dabei immer eine große Rolle. Denn Patriarchat bedeutet: teile und herrsche. Ausgrenzung und Vereinzelung spielen aber nicht nur in der Unterdrückung von Widerstand eine große Rolle, sondern sind Teil der patriarchalen Gesellschaft schlechthin: Wohngemeinschaften und Wohnprojekte, die aus politischer Motivation und einem Bedürfnis nach kollektivem Leben entstanden sind, werden weniger bzw. lösen sich ganz auf. Individualisierung und Konkurrenz, vom Staat gewollt und angeschoben, nehmen zu. Jede und Jeder soll nur noch an sich denken und den eigenen Vorteil. Der Kampf gegeneinander für den eigenen Vorteil ist fester Bestandteil des Patriarchats. Entsolidarisierung und Egozentrismus auf Kosten von Anderen oder von Natur(ressourcen) werden zur “Normalität”.
Viele von uns sind schon lange in den linken politischen Zusammenhängen, haben dort bei den verschiedensten Aktivitäten mitgewirkt, positive und negative Erfahrungen gesammelt. Wir finden es wichtig, dass diese Erfahrungen nicht verloren gehen, dass Fehler nicht ständig wiederholt werden und gelungene Aktionen in die Planung für neue Strategien einfließen können. Organisierung ermöglicht uns, einen roten Faden in unsere politische Arbeit zu bekommen, anstatt isoliert voneinander dieselben Überlegungen zu machen ohne voneinander zu wissen. Organisierung bedeutet für uns, effektiver zu arbeiten, im Austausch miteinander zu sein, ein “kollektives Bewusstsein” zu entwickeln, um handlungsfähig und interventionsfähig zu werden.
Um das zu erreichen, halten wir es für notwendig, gemeinsame Ziele, Erfahrungen aus der bisherigen Praxis und verschiedene Ansätze zusammen zu tragen und daraus eine Plattform zu entwickeln. Auf dieser Basis wäre eine organisierte, gemeinsame feministische Politik möglich. Organisierung geht also über punktuelle Bündnisse, die zeitlich begrenzt sind hinaus und soll eine kontinuierliche Gegenmacht aufbauen und entwickeln.
Ganz besonders wichtig ist uns die feministische Organisierung:
Der gesellschaftliche backlash bezüglich Sexismus zeigt sich auch im Zurückdrängen der einstmals antisexistischen Kriterien innerhalb der Linken. Es ist zu beobachten, dass vor allem die männlich sozialisierten und sich selbst als Männer bezeichnenden Menschen wieder mehr entweder offen, versteckt, provokant oder sonstwie sexistisch auftreten. Daran zeigt sich, dass den meisten ein wirkliches Interesse fehlt, ihre Privilegien, mit denen sie in der patriarchalen Gesellschaft ausgestattet wurden, abzugeben.
Wir wollen keine Energie mehr in nervenaufreibende und letztendlich unproduktive Kämpfe gegen die sexistischen Strukturen in gemischten Zusammenhängen stecken. Deshalb organisieren sich einige von uns ausschließlich in FrauenLesbenTransgender- Zusammenhängen, einige auch in anderen antipatriarchalen Zusammenhängen.
2. Strategie
Viele Gruppen empfinden ihre politische Arbeit als nicht verhältnismäßig gegenüber der Herrschaftspolitik. Während die Mächtigen dieser Welt in rasantem Tempo immer neue Strategien zur Unterdrückung und Ausbeutung entwickeln und umsetzen, haben wir keine entsprechenden Handlungsstrategien, um dem etwas Wirksames entgegen zu setzen.
Aus diesem Ohnmachtsgefühl heraus kann dann schnell Aktionismus werden (alles scheint wichtig) oder die Konzentration auf ständiges Theoretisieren (es werden immer wieder neue Texte gelesen und/oder diskutiert, um “die Lösung” zu finden), wobei dann oft der Bezug zur Realität verloren geht bzw. verloren gehen kann. Mangelnde Erfolgserlebnisse führen dann oft zu Frustration und Resignation und können bewirken, dass Gruppen sich auflösen und Einzelne ganz aufhören Widerstand zu leisten.
Wir denken, dass es schon längst an der Zeit ist, eine Strategie bezüglich unseres Widerstandes zu entwickeln. Denn nur damit können wir die Antworten für unseren Widerstand und eine zukünftige herrschaftsfreie Gesellschaft finden. Dabei denken wir, dass es nicht die eine Strategie gibt. Aber das Arbeiten daran ist uns wichtig: das Diskutieren und Austauschen mit- und untereinander und ein gemeinsames Umsetzen der dabei gewonnenen Erkenntnisse und Erfahrungen. Das ist nicht nur für uns, sondern für den linken Widerstand insgesamt wichtig.
Eine Strategie kann kurzfristige, mittelfristige und langfristige Ziele haben. Sie sollte auch unsere Vorstellung von einer herrschaftsfreien Gesellschaft enthalten, und zwar im weltweiten Kontext gesehen. Eine Strategie sollte Schwachstellen und Angriffspunkte des Systems heraus arbeiten und damit unseren Widerstand effektiver und wirkungsvoller machen. Sie sollte eine positive Alternative zum Patriarchat darstellen und bestenfalls eine ansteckende Wirkung auf andere haben.
3. Praxis
Uns ist eine eigenständige feministische Praxis wichtig, weil sie unserer Meinung nach in den meisten (gemischten) Zusammenhängen fehlt. Deswegen werden wir als linke autonome radikale Feministinnen immer wieder den patriarchalen Aspekt benennen, offensichtlich machen und uns dazu verhalten. Das wünschen wir uns auch für den gesamten (antimilitaristischen) Widerstand.
Wichtig ist uns eine antipatriarchale Praxis aber auch, um tatkräftig gegen die menschen- und frauenverachtende Politik zu agieren (und nicht nur darüber zu reden), um solidarisch zu sein, um Sand im Getriebe des herrschenden Systems zu sein. Uns ist durchaus bewusst, dass der organisierte Widerstand in der BRD gerade alles andere als berauschend ist, aber auch gerade deswegen ist es uns wichtig daran zu arbeiten dass wir (wieder) mehr werden, dass unser Widerstand anfängt zu greifen und wir eine Alternative zu den herrschenden Machtstrukturen aufbauen. Uns ist ebenfalls wichtig, dass wir unseren Widerstand international begreifen, denn eine Widerstand, der sich nur auf das eigene Land und nicht auf die weltweiten Bedingungen und Kämpfe bezieht, blendet viele Realitäten aus und isoliert sich selbst.
Es ist in den letzten Jahren deutlich geworden, dass sich die radikale Linke mit internationaler Solidarität schwer tut: auf der einen Seite hat die Niederlage der Sowjetunion und damit der Wegfall der realsozialistischen Bündnisse zu einer massiven Schwächung der weltweiten Befreiungsbewegungen geführt. Auf der anderen Seite sind die linken Zusammenhänge in der BRD verunsichert, da das Freund-Feind-Bild nicht mehr eindeutig zu sein scheint: Die weltweit Unterdrückten und Ausgebeuteten (bzw. ihre Organisationen und Führenden von Bewegungen) sind nicht immer diejenigen, die für eine emanzipatorische Gesellschaft kämpfen.
Um nur ein Beispiel zu nennen: So ist der Widerstand in Afghanistan gegen die Besatzung der NATO zwar legitim, jedoch hat die führende Kraft des Widerstandes, die fundamentalistischen Islamisten zum Ziel, eine reaktionäre Gesellschaft zu errichten. Unter dieser Voraussetzung können und wollen wir uns nicht auf sie beziehen. Diese Verunsicherung führt in der Linken oft zu Nichtverhalten oder gar zu reaktionären Positionen. So haben z.B. Teile der Linken den Militäreinsatz der NATO in Jugoslavien begrüßt). Deswegen finden wir es wichtig, sowohl die jeweiligen Kriegsgründe zu benennen, z.B. sie als imperialistische , neokoloniale Eroberungskriege zu entlarven und gleichzeitig antipatriarchale Ansätze zu unterstützen.
Internationale Solidarität – wichtiger denn je!
Internationale Solidarität können wir auf verschiedenen Ebenen zum Ausdruck bringen: Unsere eigene Praxis sollte immer wieder internationale Zusammenhänge herstellen bzw. diese mit berücksichtigen. Kontakte zu feministischen, antipatriarchalen und revolutionären Bewegungen, Gruppen und Organisationen hier und in anderen Ländern ermöglichen Austausch und Diskussion. Letztendlich können sich dadurch Handlungsstrategien entwickeln, die gemeinsam getragen und umgesetzt werden können.
Aus zurückliegenden Erfahrungen wissen wir, dass es nicht immer leicht ist eine gemeinsame Ebene herzustellen. Vielleicht wäre es hilfreich aus diesen Erfahrungen die Konsequenz zu ziehen selbst Kriterien zu entwickeln, die als Grundlage für solche Kontakte dienen können. Das heißt konkret: Unter Berücksichtigung der jeweiligen Bedingungen (kulturell, geschichtlich, politisch) die jeweiligen Vorstellungen in ein Gesamtkonzept zusammen zu fassen.
Auch wenn wir unsere Strategie noch diskutieren und unsere Organisierung sich noch im Aufbau befindet, gibt es vieles , was wir tun können! Wir haben uns für den Schwerpunkt antipatriarchalen antimilitaristischen Widerstand entschieden,
– weil die Militarisierung einer Gesellschaft permanent und immer wieder Kriege produziert und produzieren wird;
– weil von der BRD wieder Kriege ausgehen und wir diese weder akzeptieren noch ignorieren wollen;
– weil diese Kriege immer mehr so laufen, dass die Zivilbevölkerung angegriffen wird (mittlerweile kommen in Kriegen mehr Zivilpersonen ums Leben als Soldatinnen und Soldaten);
– weil diese Kriege der Bereicherung der (wenigen) Reichen dienen;
– weil sie der Ausbeutung und Unterdrückung von Mensch, Tier und (Natur)ressourcen dienen;
– weil diese Kriege, auch wenn sie nicht im eigenen Land geführt werden, immer auf Kosten von sozialen Errungenschaften geführt werden;
– weil dadurch noch mehr Menschen zu Flüchtlingen werden;
– weil die Migrationspolitik von seiten der reichen Länder zunehmend militarisiert wird und wir dort einen Ansatz für praktische internationale Solidarität sehen;
– weil jeder dieser Kriege und die damit verbundene zunehmende Militarisierung die Geschlechterzuordnung verschärft und
– weil damit die Bedingungen für eine antipatriarchale Alternative massiv verschlechtert.
Diese Aufzählung ist sicherlich nicht vollständig und erhebt auch keinen Anspruch darauf.
Uns ist es lediglich wichtig, einige unserer Gründe zu benennen und offen(sichtlich) zu machen. Wir wollen mit euch zusammen kommen, uns vernetzen, uns organisieren, fantasie- und kraftbringende Aktionen machen. Auch macht es uns Mut, dass sich wieder mehr Gruppen und Einzelpersonen mit dem Thema Antimilitarismus beschäftigen und Einige auch eine eindrucksvolle Kontinuität und Praxis haben. Daran möchten wir anknüpfen und einen neuen starken antipatriarchalen Widerstand aufbauen!
FÜR EINE ANTIPATRIARCHALE REVOLUTION!